Unser Blut besteht aus mehreren Bestandteilen, die alle eine wichtige Funktion für unser gesundheitliches Gleichgewicht inne haben: neben dem flüssigen Anteil (Serum) gibt es auch die sogenanten weissen Blutzellen (Leukozyten), die vor allem für die Abwehr von Krankheiten und das Heilen von Wunden und Entzündungen verantwortlich sind. Daneben gibt es auch die Blutplättchen (Thrombozyten), die dafür verantwortlich sind, bei einer Verletzung die Blutung zu stoppen und zusammen mit den körpereigenen Gerinnungsfaktoren einen krustigen Pfropf zu bilden, der die Blutungsstelle abdichtet. Den grössten Teil unseres Blutes machen aber die roten Blutzellen aus (Erythrozyten), die auch dem Blut seine chrakteristische Farbe geben. Diese Zellen sind ganz besonders wichtig, da sie in ihrem Inneren ein Eiweissmolekül haben (Hämoglobin) welches in der Mitte vier Eisenatome trägt, an die Sauerstoff gebunden werden kann. Sauerstoff ist für uns lebensnotwendig. Wenn wir nicht genug Sauerstoff haben, funktionieren unsere Organe nicht ausreichend. Daher ist es ganz wichtig immer genug intakte Transportmittel für Sauerstoff im Blut zu haben, nämlich diese roten Blutzellen mit ihrem Eiweiss- Eisen-Molekül in der Mitte. Fehlen uns entweder rote Zellen (z.B. wie wir sie bei einer starken Blutung verloren haben) oder fehlt den roten Zellen das Eisen in ihrem Inneren (z.B. weil wir nicht genug Eisen mit der Nahrung zu uns genommen haben) , dann spricht man von einer Blutarmut oder medizinisch ausgedrückt von einer „Anämie“.
Da bei Blutarmut weniger Sauerstoff im Körper zu den Organen transportiert wird, „melden“ die Organe, dass ihnen Sauerstoff fehlt: so meldet das Gehirn beispielsweise einen Sauerstoffmangel bei Blutarmut oft dadurch, dass man sehr müde wird und schnell erschöpft ist. Die körperliche Leistungsfähigkeit wird weniger, weil auch den Muskeln Sauerstoff fehlt. Der Körper braucht das noch sauerstoffhaltige Blut jetzt vor allem in Organen die viel Sauerstoff benötigen (z.B. Gehirn und Herz) und so kann es dazu kommen, dass feine Kapillaren zum Beispiel der Haut weniger durchblutet werden und die Haut dadurch blasser als sonst wirkt.
Da bei Blutarmut gewöhnlich auch Eisen fehlt, an welches der Sauersztoff gebunden wird (entweder weil die Speicher leer sind oder das Eisen nicht aus dem Speicher herausgelöst werden kann) können dadurch zusätzliche Symptome auftreten. Die Kombination aus Eisen- und Sauerstoffmangel führt dann oft auch zu brüchigen Fingernägeln und Haarausfall.
Im Unterschied zu älteren Menschen, können jüngere und sonst gesunde Menschen eine Blutarmut meist gut überwinden und mitunter merken sie auch erst spät oder gar nicht dass sie blutarm sind.
Bei älteren Menschen ist die Situation gravierender: es konnte in Untersuchungen an älteren Patienten gezeigt werden, dass Senioren mit Blutarmut deutlich weniger mobil sind und ihre Alltagskompetenz einbricht (Röhrig et al Maturitas 2016). Ältere Patienten mit Blutarmut hatten in vergleichenden Untersuchungen ein 4,3-fach erhöhtes Risiko für einen Funktionsverlust im Alltag als ältere Patienten ohne Blutarmut. Dabei stieg dieses Risiko mit jeder abfallenden Hämoglobin (Hb)-Einheit (Zilinski et al AoH 2014). Auch wenn bis heute noch nicht im Detail bekannt ist, wie eine Blutarmut zu diesen Funktionseinbußen führt, so verdichten sich jedoch die Hinweise auf einen engen Zusammenhang zwischen Blutarmut und abnehmender Alltagskompetenz bei älteren Patienten. Zudem können ältere Menschen mit Blutarmut Infekte und Krankheiten schlechter überstehen. Ausserdem steigt das Risiko zu sterben ebenfalls an, besonders wenn die betreffenden Patienten viele andere Vorerkrankungen haben. Man vermutet, dass eine Blutarmut für betagte Menschen gefährlicher ist als für jüngere, weil das alte Knochenmark im Unterschied zum jüngeren Knochenmark mit der Nachproduktion von Blutzellen nicht mehr so schnell hinterherkommt. Daher ist es gerade für ältere Menschen sehr wichtig, darauf zu achten, dass eine Blutarmut rechtzeitig erkannt und dann auch therapiert wird.
Weil der Körper für viele Vorgänge, ganz besonders aber für den Sauerstofftransport, viel Eisen braucht, hat er sich eine Reserve angelegt: Der menschliche Körper hat ca 3-5 Gramm Eisen, sogenanntes „Gesamtkörpereisen“. Davon werden gut dreiviertel für die roten Blutzellen zum Sauerstofftransport gebraucht. Bei Männern wird ein knappes weiteres Viertel im Speicher abgelegt, bei Frauen vor der Menopause wird etwas weniger gespeichert. Der kleine verbleibende Rest wird im Gewebe verbraucht. Wird jetzt im Knochenmark neues Blut gebildet, dann holt sich der Körper das Eisen aus dem Speicher. Es gibt dabei zwei Speicher: das Ferritin wo frisch zugeführtes Eisen gespeichert wird und das Hämosiderin, wo recyceltes Eisen aus untergegangenen roten Blutzellen gespeichert wird. Da immer ausreichende rote Blutzellen im Blut vorhanden sein sollen, nämlich 5-6 Millionen / µl bei Männern und 4-5 Millionen/µl bei Frauen, wird immer erst das Speichereisen aufgebraucht bevor bei der Blutzellproduktion gespart wird. Dadurch kann es vorkommen, dass bei unzureichender Eisenzufuhr und anhaltend gleichbleibender Blutzellproduktion irgendwann die Speicher leer sind, obwohl genug rote Blutzellen da sind. Das nennt amn dann einen Eisenmangel – aber ohne Blutarmut, da ja genug Blutzellen (noch) da sind. Wir der Eisenmangel nicht rechtzeitig erkannt und behoben, dann kann es sein, dass der Körper auf die nächste Sparmassnahme umschaltet und weniger rote Blutzellen produziert. Das nennt man dann Blutarmut bei Eisenmangel. Der reine Eisenmangel ist also eine Vorstufe von Blutarmut und sollte möglichst immer behoben werden, damit sich nicht auch noch eine Blutarmut mit all ihren schlimmen Folgen entwickelt. Das kann man sehr einfach beim Arzt durch eine Blutuntersuchung feststellen lassen.
Auch wenn die Ursachen für eine Bluteramut sehr vielfältig sind, so ist die Behandlung relativ einfach, denn meistens reicht es, dem blutarmen Patienten Eisen zu geben. Das kann durch Eisen-Tabletten oder eisenhaltigen Saft erfolgen, aber dabei muss immer kontrolliert werden, ob die Eisengabe auch zu einer Verbesserung der Blutarmut führt. Es wäre nicht gesund, ewig lange unkontrolliert weiter Eisentabletten oder Eisensaft einzunehmen. Daher sollte man vom Arzt während einer Eisentherapie immer durch eine Laborkontrolle untersuchen lassen, ob sich die Blutarmut verbessert. Bei manchen Patienten helfen nämlich Eisentabletten und Eisensäfte nichts. Bei diesen Patienten muss der Arzt dann überlegen, ob er ihnen nicht alternativ eine Eiseninfusion anbietet.
Die Auswertung von Daten einer mehrjährigen Untersuchung der US-amerikanischen Bevölkerung (NHANES Studie 1991-1994) hat gezeigt, dass man im klinischen Alltag die Blutarmut in grob in drei unterschiedliche Formen einteilen kann (Guralnik et al 2008 ):
Wenn man sich ausgewogen ernährt, ist das Risiko für eine ernährungsbedingte Blutarmut gering. Ausnahmen bilden hier jedoch Menschen, die einen hohen Verbrauch von roten Blutzellen haben wie Kinder im Wachstum, intensiv trainierende Sportler und schwangere Frauen sowie Menschen die keine ausgewogene Ernährung zu sich nehmen, weil sie entweder zu wenig zu Essen haben (Dritte Welt Länder) oder eine sehr eisenarme Kost zu sich nehmen (z. B. Vegetarier, Veganer). Das Problem bei einer rein pflanzlichen Ernährung ist, dass das pflanzliche Eisen nicht so gut wie das tierische Eisen in den Körper aufgenommen wird. Wenn man die Aufnahme von pflanzlichem Eisen verbessern will, kann es helfen zusätzlich ein Vitamin C -haltiges Getränk wie z.B. Orangensaft zu trinken.
Bei entzündungsbedingter Blutarmut ist es wichtig, die zugrundeliegende Entzündung zu behandeln und zusätzlich Eisen zu geben. Auch wenn die Eisenspeicher voll sind, ist bei der ACI eine Eisengabe sinnvoll, da das vorhandene Eisen durch die Entzündung nicht aus den Speichern herausgeholt werden kann. Das zugeführte Eisen kann dann zum Einbau in die roten Blutzellen genutzt werden.
Es gibt Menschen bei denen kommt Blutarmut besonders häufig vor. Neben Kindern im Wachstum, Sportlern, Frauen die ihre Regelblutung noch haben oder schwanger sind, Menschen in tropischen Ländern wo es Malaria gibt und Menschen die hungern müssen oder eine einseitige Kost zu sich nehmen (z. B. Vegetarier, Veganer) sind es vor allem ältere Menschen ab 65 Jahre, die sehr oft eine Blutarmut haben. In Seniorenheimen und Krankenhäusern kann sogar jeder zweite Patient > 65 Jahre von Blutarmut betroffen sein. Dabei ist Blutarmut keinesfalls ein normales Zeichen für das Älterwerden, ganz im Gegenteil! Blutarmut ist nie „normal“ und sollte immer von einem Arzt abgeklärt und behandelt werden.
Blutarmut ist nie „normal“. Allerdings muss man, wenn man von Blutarmut spricht, immer überlegen welchem Geschlecht und welcher Bevölkerungsgruppe der betreffende Patient angehört, da der Hämoglobinwert (Hb), in welchem der rote Blutfarbstoff gemessen wird, in Abhängigkeit von Geschlecht und Bevölkerungsgruppe unterschiedliche Grenzwerte für Blutarmut hat (Lim et al 2015). So kann ein Hämoglobinwert von 12,5 g/dl bei einem nordeuropäischen Mann bereits eine Blutarmut anzeigen, während der Wert für eine Frau noch völlig normal ist. Für die meisten erwachsenen Nordeuropäer gelten unabhängig vom Alter (!) die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Grenzwerte für Blutarmut mit Hb < 12g/dl bei Frauen und Hb<13g/dl bei Männern.
Bei Menschen aus Asien, Afrika oder Südamerika liegen die durchschnittlichen Hämoglobinwerte für Männer und Frauen meist niedriger (Lim et al 2015), weswegen diese Menschen mit Hämoglobinwerten topfit sind, bei denen Nordeuropäer bereits an einer Blutarmut leiden. Damit man nicht gesunde Menschen als blutarm einstuft, ist es immer wichtig sowohl auf Geschlecht und Bevölkerungszugehörigkeit zu achten.
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