Young female doctor sitting with pensioner in surgery consultation hour at desk
Geriatrie ist der Fachbegriff für Altersmedizin, so wie Pädiatrie der Fachbegriff ist für Kinderheilkunde. Das Wort Geriatrie kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus „geras“ = hohes Alter und „iatraia“ = heilen. Entwickelt hat diesen Begriff der in Österreich geborene US-amerikanische Medizner Ignatz Leo Nascher (1863 – 1944). Zu seinen Lebzeiten war die Sterberate unter älteren Menschen in Österreich sehr hoch. Die durchschnittliche Lerbenserwartung lag zu dieser Zeit für Frauen bei etwa 43 Jahren, bei Männern bei etwa 40 Jahren. Bei einem Besuch des Versorgungsheim Lainz in Wien fiel Ignatz Nascher auf, dass die Sterberate älterer Menschen in diesem Heim deutlich geringer war, als in anderen vergleichbaren Einrichtungen. Unter einem Versorgungsheim verstand man damals eine Versorgungseinrichtung für Senioren, eine Mischung aus Bewahranstalt für Senioren und Krankenhaus. Herr Nascher versuchte herauszubekommen, warum in diesem Versorgungsheim die Sterberate niedriger war als in anderen Versorgungsheimen und er fand heraus, dass es an der besonderen Betreuung der Patienten durch das Personal lag. Er erfuhr von den dort tätigen Ordensschwestern, dass man die Patienten versuchte ganz individuell zu behandeln und jedem die Versorgung zukommen liess, die er oder sie benötigte. So ein Vorgehen kannte man bisher nur aus der Kinderheilkunde. Dieses Konzept entwickelte Ignatz Nascher weiter und schuf 1908 in Anlehnung an die „Pädiatrie“ die Grundlage der modernen „Geriatrie“.
Unser Körper und seine Funktionen ändern sich im Laufe des Lebens. Mit zunehmendem Alter gewinenn wir an Lebenserfahrung und Wissen, gleichzeitg nutzen sich einige Organe und Körperteile ab und man spricht zum Beispiel in Bezug auf Rückenschmerzen oft von „Verschleiss der Wirbelsäule“. Doch nicht nur die Knochen können verschleissen, sondern auch viele Organfunktionen ändern sich. So nimmt die Fähigkeit der Niere ab, das Blut zu reinigen, das Herz kann sich nicht mehr so schnell an Belastungen anpassen und der Betreffende verspürt beispeilsweise beim Treppenstieigen Luftnot. In den Blutgefässem lagern sich im Lauf des Lebens Verkalkungen ab, welche die Adern steifer werden lassen, so dass sich ein Bluthochdruck entwickeln kann. Bei der Körperzusammensetzung nimmt der Wasseranteil ab und der Fettanteil dagegen zu. Die Muskulatur neigt mit zunehmendem Alter immer schneller dazu, bei fehlendem Bewegungstraining zu schrumpfen und an Umfang zu verlieren. Das nennt man Sarkopenie. Im schlimmsten Fall werden die Muskeln so schwach, dass man nicht mehr laufen kann. Viele Krankheiten werden besonders bei älteren Menschen mit mehreren Medikamenten behandelt, was dazu führt, dass viele Patienten eine Reihe Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Das bezeichnet man dann als Polymedikation oder Polypharmazie. Diese Medikamente können sich darüber hinaus zum einen gegenseitig beeinflusse, zum anderen können sie bei einem älter werdenden Organismus mit veränderten Organfunktionen auch ganz anders wirken als bei jüngeren Menschen. Viele Laborwerte ändern sich auch mit zunehmendem Alter, was an den veränderten Organfunktionen liegt. Die Geriatrie ist die Medizinfachrichtung, die sich genau mit diesen Veränderungen im älteren Körper beschäftigt und auskennt. Ziel der Geriatrie es immer, dem älteren Menschen zu helfen, selbständig und mobil zu bleiben. Daher ist es sinnvoll im höheren Alter einen Geriater oder eine Geriaterin aufzusuchen, so wie es bei Kindern sinnvoll ist einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin aufzusuchen.
Eine geriatrische Untersuchung dauert meistens länger als eine Routineuntersuchung beim Hausarzt. Das liegt daran, dass bei einer geriatrischen Untersuchung versucht wird, möglichst viele Veränderungen von Organen und Körperfunktionen zu erfassen und dabei festzustellen, was gut funktioniert (Ressourcen) und was nicht mehr so gut funktioniert (Defizite). Wenn man diese Defizite kennt, kann man sie auch ganz gezielt behandeln und dabei die Ressourcen nutzen. Diese individuelle, gezielte Therapie geht auf das von Ignatz Nascher entwickelte Konzept zurück (s.o.).
Da die Kostenträger diese sehr langwierige geriatrische Untersuchung bezahlen, wenn sie von einem ausgebildeten Arzt für Geriatrie durchgeführt werden, schicken inzwischen viele Hausärzte ihre Patienten gern zu Geriatern, die diese ausführliche Untersuchung für sie übernehmen. Die Geriater führen die speziellen Untersuchungen durch und die Hausärzte behandeln ihre Patienten dann weiter.
Diese speziellen Untersuchungen bestehen aus verschiedenen Tests (sogenannte geriatrische Assessmenttests), mit denen man sehr gezielt zum Beispiel die Ernährungssituation, die Muskelkraft und die Sturzgefahr ermitteln kann. Wenn der Verdacht auf eine beginnende Demenz besteht, kann man in der Geriatrie auch die entsprechenden Untersuchungen durchführen. Auch seelische Belastungen und die Versorgungssituation werden bei geriatrischen Untersuchungen miterfasst. Die Ergebnisse dieser Testverfahren werden am Ende ausgewertet und auf dieser Basis eine individuelle Therapieempfehlung für den Patienten ausgesprochen. Da sehr viele verschiedene Aspekte dabei berücksichtigt werden spricht man auch vom „multidimensionalen geriatrischen Assessment“. Werden diese Tests in regelmässigen Abständen durchgeführt, kann man mit ihnen auch überprüfen ob eine laufende Therapie (z.B. Physiotherapie oder Ergotherapie oder Logopädie) bereits Erfolge zeigt.
Es gibt kein Alter, ab dem man zu einem Geriater gehen „muss“. Es ist vielmehr so, dass ältere Menschen, die an mehreren Erkrankungen gleichzeitig erkranken (z.B. gleichzeitig an Bluthochdruck, Osteoporose, Schmerzen und Muskelkraftminderung, die zum Sturz geführt hat) und mindestens 65 bis 70 Jahre alt sind, gut in der Geriatrie aufgehoben sind. Typische geriatrische Erkrankungen nennt man auch „geriatrische Syndrome“. Dazu gehören zum Beispiel Gangstörung und Gangunsicherheit, Stürze, Demenz und Mangelernährung. Liegen solche „geriatrischen Syndrome“ vor und man ist mindestens 65 bis 70 Jahre alt, sollte man sich jeden Fall einmal einem Geriater zum Check-up vorstellen.
Die Geriatrie ist darauf ausgerichtet, älteren Menschen zu helfen ihre Selbstädnigkeit zu bewahren. Mobilisierung ist dabei ganz wichtig. Daher liegt hier ein wichtiger Schwerpunkt.
In sogenannte Akutgeriatrien im Krankenhaus kommen Patienten dann, wenn sie eine akute Erkrankung haben, zum Beispiel wenn sie Fieber haben oder eine Infektion oder es ihnen akut schlecht geht durch Austrockung (Exsikkose) oder Verwirrtheit (Delir). Eine Aufnahme in eine Akutgeriatrie kann auch über die Notaufnahme eines Krankenhauses erfolgen. Wenn es kein Notfall ist, benötigt man einen Aufnahmetermin und vom Haudsarzt einen Einweisungsschein. In einer Akutgeriatrie finden immer auch Rehabilitationsmassnahmen statt, wobei aber der Schwerpunkt auf der Behandlung der akuten Erkrankung. Diese Kombination aus medizinischer Behandlung und Rehabilitationsmassnahmen hat den grossen Vorteil, dass lange Liegezeiten und damit die Gefahr der Immobilisation deutlich gemindert werden. Hat ein Patient gute Fortschritte in einer Akutgeriatrie gemacht, verfügt über gute Ressourcen und möchte noch mehr erreichen, dann kann man eione geriatzrische Rehabilitation im Anschluss erwägen.
Eine Geriatrische Rehabilitation muss man beim Kostenträger beantragen. Sie umfasst meist 3 Wochen und ihr Schwerpunkt liegt auf den Rehabilitationmassnahmen, welche Mobilität und Alltagsfähigkeit trainieren. Daher muss ein Patient auch fit genug sein und darf keine akute Infektion oder Fieber haben. Um in eine geriatrsiche Rehabilitation kommen zu können, muss der Hausarzt oder der Stationsarzt einen Antrag ausfüllen und beschreiben, was beim Patienten erreicht werden soll und welche Defizite aber auch Ressourcen er oder sie hat. Dafür greift er dann auch auf die Ergebnisse des multidimensionalen geriatrischen Assesment zurück (s.o.)
Momentan gibt es die meisten geriatrisch tätigen Ärzte vorwiegend in Krankenhäusern in Akutgeriatrien oder in geriatrischen Rehabilitationsabteilungen. Ambulant tätige Geriatriepraxen sind noch selten, nehmen aber zu. Man kann Adressen für geriatrisch tätige Ärztinnen und Ärzte in der Nähe auch über die Fachgesellschaft erfragen, die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG), www.dggeriatrie.de
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